Jeder hat doch Bücher, die wahnsinnig viele Erinnerungen hervorrufen, oder? Bei mir ist es ein Backbuch. Eins aus dem Jahr 1953 und das alte Backbuch meiner Oma:

Zu ihren Lebzeiten ist es mir gar nicht aufgefallen, da waren andere Bücher, insbesondere die in ihrem schönen Bücherschrank interessanter. Aber nach ihrem Tod habe ich das Buch geerbt. Riecht wunderbar nach altem Buch und hat viele Zettel drin, die sie aus Zeitschriften ausgeschnitten hat und wahrscheinlich mal nachbacken wollte. Übrigens der „Delikate Honigkuchen“ vom Langnese-Zettel ist diesen Winter noch fällig:

Auch selbstgeschriebene Zettel mit rätselhaften Zutatenlisten (mittlerweile herausgefunden: es sind die Zutaten für ihren Wasserkringel) sind in dem Buch, in der unnachahmlichen Handschrift meiner Oma:

Die Lieblingscousine und ich haben letztens festgestellt, dass wir auch nach so langer Zeit, unsere Oma starb leider schon 2001, ihre Handschrift noch flüssig lesen können, wenn wir ihre Reisetagebücher und Photoalben angucken, die wir erbten.
Aber beiseite mit der Sentimentalität, die Tränen aus den Augen wischen und objektiv das Büchlein betrachten.
Erster Eindruck
Das Buch ist alt und wurde offensichtlich schon öfter aufgeschlagen, so langsam fällt auch die Bindung auseinander. Da sollte ich mich mal drum kümmern. Aber es riecht wunderbar nach altem Buch. Das Papier ist eher dünn und schon etwas gelblich, aber das ist wahrscheinlich der damaligen Mangelwirtschaft nach dem Krieg in der DDR geschuldet. Und das Buch ist 60 Jahre alt…
Inhalt
Nach einem Vorwort und einige erläuternde Seiten zu Gerätschaften, Backeinrichtungen und Zutaten geht es mit dem Rezepten weiter. Dabei sind die Kapitel nach den verschiedenen Gebäckarten benannt: Mürbegebäck, Backpulvergebäck, Hefegbäck, Baisergebäck, Hippen, Strudel, Pfefferkuchen etc. Auch Füllungen und Glasuren, Spezialitäten und Süßigkeiten bekommen ihr eigenes Kapitel. Ich finde, nicht fehlen darf in so einem Buch auch ein Kapitel für „Ratschläge für besondere Fälle“, z.B.:
Was tut man …
….wenn Hefe kurze Zeit aufbewahrt werden soll? Die Hefe fest in ein Glas oder Töpfchen drücken, damit sie nicht herunterrutscht. In ein Schüsselchen Wasser füllen und das Glas umgestürzt hineinstellen. Bis zum Verbrauch das Wasser täglich erneuern.
Es werden also Lösungsvorschläge angeboten, zu Problemen, die es so heute nur noch selten gibt, aber eben auch zu welchen, die auch heute noch auftreten, wie etwa ein Kuchen, der partout nicht aus seiner Form will.
Zu jedem Kapitel gibt es erst ein paar einleitende Worte und dann zu dem vorgestellten Gebäck drei Teige, jeweils ein wenig abgewandelt, so dass man sich nach den eigenen Vorlieben und Vorräten aussuchen kann, was man backen möchte. Die Zubereitung der Teige wird auch genau beschrieben, ob und wie man sie lagern kann. Danach folgen die Rezepte und Beschreibungen etlicher Gebäcke, die auf den Grundteigen beruhen. Sehr praktisch.
Woran man sich gewöhnen muss, sind die etwas ungenauen Temperaturangaben, aber das ist der damaligen Zeit und Technik geschuldet. Auch sind manchmal noch lustige kleine Anweisungen bei den Rezepten, bei denen ich immer erst ein wenig überlegen muss, welchen Sinn das hatte und ob das heute noch relevant ist. Bei den Stollenrezepten steht als erstes:
Am Tage vor dem Backen das Mehl in eine Schüssel sieben und warm stellen.
Ich schätze mal, das kommt daher, dass die Wohnungen früher im Winter viel feuchter und kühler waren (zumindest die meiner Oma mit Kachelofen war morgens echt gefühlt lausig kalt bis die Öfen eingeheizt waren und ihre wohlige Wärme abgeben konnten) und das Mehl dadurch wahrscheinlich schneller klumpte. Nur so kann ich es mir erklären und beschloss, dass der Punkt für mich irrelevant ist. Besonders interessant sind auch die Hinweise auf Ersatzstoffe, also wenn man keinen Honig hatte (bis Ende der 50er Jahre gab es noch Lebensmittelmarken in der DDR) wurde Kunsthonig benutzt oder wenn man kein Zitronat oder Rosinen hatte, wird einem in diesem Büchlein genau gesagt, was man mit Kürbis anstellen sollte, damit man ihn stattdessen benutzen kann. Finde ich äußerst amüsant und ich habe letztens im Supermarkt tatsächlich Kunsthonig gefunden, der mit „dem Geschmack wie früher“ beworben wurde ;-)
Gestaltung
Das Buch kommt mir ziemlich monochromatisch vor: Leicht vergilbtes Papier, grau-braune Photographien und schwarz-weiß Zeichnungen. Es ist natürlich nicht zu jedem Rezept ein Bild, aber es gibt mehrere Bildtafeln, auf denen ein Großteil der Gebäcke abgebildet sind. Manchmal sind die Gebäcke auch nochmal nachgezeichnet und durchnummeriert, z.B. bei Keksen damit man genau weiß, welcher Keks wie heißt. Besonders gut gefallen mir die kleinen Zeichnungen, die Sachen wie das Formen bestimmter Sachen oder Einschnitte oder handwerkliche Techniken bildlich erläutern. Auch gibt es zu manchen etwas aufwendigeren Rezepten Schritt-für-Schritt-Bildanleitungen, wie soll das Gebäck von innen aussehen, wie mache ich einen Strudel richtig. Es sind alle wichtigen Sachen abgebildet, aber keine unnötige Auffüllung von Seiten durch Bilder. Gefällt mir gut! Übrigens, besonders cool ist der kleine Schnittbogen für ein Lebkuchenhaus. Hätte ich das Kind schon gewusst und machen dürfen …
Ausprobiert
Mandelstollen (Rezept ein Stückchen weiter unten)
Nusslebkuchen – Noch nicht verbloggt, aber gut!
Fazit
Ein schönes kleines Backbuch, in dem alle wichtigen Gebäckarten mit vielen Variationen vorhanden sind. Natürlich sind das zeitgegeben die ganzen Klassiker hier drin vertreten, die wir lieben und keine fancy, amerikanische Kuchen, aber genau sowas brauche ich und sollte eigentlich jeder im Regal stehen haben. Es werden nicht nur die einfachen Kuchen wie Marmorkuchen, Sandkuchen, klassische Kekse zu Weihnachten oder herzhafte Teilchen (Kümmelstangen, Fettgebackenes, Brötchen/Hörnchen) vorgestellt, auch festliche Torten sind zu finden. Und extra für Kinder sind Rezepte zu Marienkäferkuchen, Pfefferkuchenhäuser und andere Süßigkeiten zu finden. Finde ich super und werde das Büchlein bestimmt noch oft zur Hand nehmen. Sei es um mal wieder Omas Schrift zu sehen oder tatsächlich auf der Suche nach einem klassischen Rezept.

Und hier dann noch das Rezept für den ersten Stollen, den ich je gebacken habe. Im Buch waren wieder drei Stollenrezepte angegeben: Butterstollen, Rosinenstollen und Mandelstollen. Da mir zur Zeit eher nussig zumute ist, entschied ich mich für letzteren. Die Zubereitung war dank der guten Beschreibung denkbar einfach, auch wenn ich nächstes Mal die Küchenmaschine benutze und nicht 20 Minuten per Hand rumknete und mich von den scharfkantigen Mandelstückchen in den Handballen pieken lasse ;-) Nach einer Woche des ungeduldigen Stollen-Anstarrens wurde er angeschnitten und ja, lecker :-) Ich muss gestehen, mir fehlen die Rosinen, beim nächsten Mal werden Fifty-fifty Mandeln und Rosinen zugefügt, die den Stollen noch einen µ saftiger machen. Aber ja, den kann man öfter backen, hat gut funktioniert!

Mandelstollen
Zutaten für 2 Laibe:
1 kg Mehl
65 g Hefe
375 ml Milch
150 g + 1 EL Zucker
200 g weiche Butter
250 g Mandeln (gehackt oder Blätter)
1 Prise Salz
Schale 1 Bio-Zitrone
1 Prise Zimt
30 g geriebene Bittermandel
oder
1 knappes Fläschchen Bittermandel-Aroma
Zum Bestreichen:
100 g Butter, geschmolzen
Zucker
(1) Die Mandeln in einer Pfanne ohne Öl bei mittelhoher Hitze leicht anrösten. Sofort in eine Schüssel geben und abkühlen lassen. Nicht in der Pfanne abkühlen lassen, die heizt nach und dann verbrennen die Mandeln doch noch.
(2) Das Mehl in eine große Schüssel geben und eine Mulde hinein formen. Etwa die Hälfte der Milch lauwarm erhitzen und die Hefe mit 1 EL Zucker darin komplett auflösen. Das Hefegemisch in die Mehlmulde gießen. Mit einem Löffel vorsichtig etwas Mehl in das Hefegemisch rühren, dass ein Brei entsteht. Den Brei mit Mehl bestäuben, mit einem Tuch abdecken und ca. 15-20 Minuten bei Zimmertemperatur gehen lassen.
(3) Wenn der Vorteig ordentlich aufgegangen ist auf dem Rand des Mehls in der Schüssel die weiche Butter in Flocken, den Zucker, Salz, Mandeln, Zitronenschale, Zimt und das Mandelaroma verteilen. Zusammen mit der restlichen Milch daraus einen homogenen Teig kneten. Dabei wirklich gut durcharbeiten, dass keine größeren Butterstücke irgendwo bleiben. Auch die Mandeln werden zum Schluss komplett unter gearbeitet sein.
(4) Den Teig in einem kühleren Zimmer 30-60 Minuten gehen lassen bis er sich deutlich vergrößert hat.
(5) Den Ofen auf 180°C vorheizen. Ein Backblech mit Backpapier auslegen.
(6) Den Teig halbieren und zwei längliche Laibe formen. Diese auf das Backpapier setzen und mit einem Messer längs etwa 1 cm tief einschneiden. Nochmals 15 Minuten unbedeckt gehen lassen.
(7) Das Blech auf die zweite Schiene von unten setzen und 45-55 Minuten backen (Meine waren eine Winzigkeit zu lange drin). Wenn er oben zu braun wird, mit Alufolie abdecken. Die Stollen sind fertig, wenn sie beim Auf-den-Boden-klopfen hohl klingen.
(8) Die Butter schmelzen und die Laibe erst großzügig mit Butter bepinseln und dann mit Zucker bestreuen. Das so lange wiederholen bis die Butter aufgebraucht ist.
Laibe, wenn sie vollständig abgekühlt sind, in Alufolie oder Pergamentpapier einwickeln und 1 Woche ruhen lassen. Nicht komplett luftdicht in Frischhaltefolie o.ä. einwickeln, dann kann so ein Stollen tatsächlich schlecht werden.
Ungeduldig warten und dann endlich
genießen!
Quelle: Fuchs, Paula-Elisabeth (1953): Unser Backbuch. Verlag für die Frau (Hrsg.). Leipzig. p 34
antiquarisch erhältlich
Der dritte Beitrag zu „Jeden Tag ein Buch„, initiiert und organisiert von Arthurs Tochter.

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